Mensch-Technik-Interaktion: Technologien zur Förderung und Aufrechterhaltung von Selbstbestimmtheit und Teilhabe

Für Menschen in betreuten Wohnungseinrichtungen, Pflege- oder Altenheimen stellt die Förderung, Aufrechterhaltung oder Rückgewinnung (z. B. nach überstandener Krankheit/Unfällen) des selbstbestimmten Handelns einen unschätzbaren Wert dar (u. a. gesteigertes Selbstwert- und Lebensgefühl). Die Bedarfe gehen dabei von der einfachen Bedienung technischer Geräte (z. B. Fensterrollläden, Alltagsgegenstände) insbesondere für bettlägerige oder in der Mobilität eingeschränkte Menschen, über die Unterstützung in alltäglichen Situationen (z. B. nächtlicher Toilettengang) bis hin zur Förderung der kognitiven und physischen Fähigkeiten (z. B. Reha-Maßnahmen). Neben dem direkten Nutzen für diese betroffenen Menschen ist auch die Entlastung des Pflegepersonals eine wichtige Motivation, neue Technologien in betreuten Wohnungseinrichtungen, Pflege- oder Altenheimen einzusetzen.

Das Fraunhofer IFF erforscht und entwickelt unterschiedliche Technologien, die dem Menschen in betreuten Wohnungseinrichtungen allgegenwärtig zur Verfügung stehen und deren aktuelle Lebenslagen erfassen sowie situationsspezifisch unterstützen. Dies betrifft insbesondere die Erleichterung des Alltags durch Komfortfunktionen als auch die Erkennung von Notfallsituationen wie Stürzen. 

Hierfür werden bereits entwickelte und patentierte Basistechnologien für die Umsetzung einer intelligenten und interaktiven Umgebung nutzer- und anwendungsorientiert weiterentwickelt, optimiert und evaluiert. Diese Basistechnologien umfassen:

  • berührungsempfindliche Sensorik zur Bewegungserfassung und Mensch-Technik-Interaktion. Bei Integration in den Fußboden kann diese auch durch integrierte LED-Technik zur Informationsvisualisierung erweitert werden.
  • Projektions- und kamerabasierte Technologien zur Darstellung von Informationen und zur (berührungslosen) Interaktion.
  • Methoden der KI zur Erkennung von Bewegungsmustern, Gangprofilen, Gesten und Handlungen.
  • Natürlichsprachliche Interaktion durch Sprachmodelle und intelligente Dialogsysteme zur intuitiven Bedienung technischer Systeme.

Darüber hinaus forschen wir an intelligenten Sensorsystemen, KI-Methoden zur Detektion von Anomalien im Kontext des Menschverhaltens und innovativen technischen Hilfsmitteln zur Unterstützung im Alltag oder zur Entlastung des Pflegepersonals, etwa autonome Rollstühle, robotische Aufstehhilfen und mobile Manipulatoren.

Das Fraunhofer IFF hat für die anwendungsnahen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ein Pflegelabor eingerichtet, sodass die verschiedenen Technologien unter möglichst realen Umgebungsbedingungen demonstriert und erprobt werden können. Das Pflegelabor ist mit einem taktilen, ortsaufgelösten Fußboden ausgestattet, wodurch die Position und der Gang (Gehrichtung und -geschwindigkeit) von Menschen erfasst werden können. Diese Informationen können genutzt werden, um unterstützenden Funktionen automatisch auszulösen. Beispielsweise kann das Licht an-/ausgeschaltet werden, wenn der Mensch in Richtung Badezimmer geht (insbesondere nachts) oder den Raum verlässt. Neben diesen Komfortfunktionen sind aber auch Automatismen umsetzbar, die unmittelbar die Gesundheit des Menschen betreffen und unter Umständen lebenswichtige Hilfe leisten. Mit Methoden der Künstlichen Intelligenz sind auf Basis des berührungsempfindlichen Fußbodens auch Stürze oder allgemein – Anomalien – feststellbar. Derartige, vom normalen Verhalten des Menschen abweichenden Situationen führen dann dazu, dass Hilfe z.B. Pflegepersonal, Angehörige, etc. frühzeitig alarmiert werden.

Eine Weiterentwicklung des taktilen Fußbodens ermöglicht die Sichtbarmachung von Informationen durch eine Vielzahl an integrierten Farb-LEDs. Dadurch sind bspw. interaktive Schaltflächen umsetzbar, die aufgrund der Positionsbestimmung des Menschen immer genau dort angezeigt werden, wo sich der Mensch gerade aufhält. Diese Schaltflächen können zum Bedienen und Steuern beliebiger technischer Geräte eingesetzt werden wie Rollladensteuerung, Lichtsteuerung oder auch zur Steuerung des Pflegebettes durch das Pflegepersonal.

Neben den berührungsempfindlichen Technologien wurden auch optische Sensorsysteme entwickelt, die eine berührungslose Interaktion mit technischen Geräten ermöglichen. Insbesondere im Gesundheitswesen haben berührungslose Technologien aufgrund der Keimfreiheit bzw. eingeschränkten Keimübertragung eine große Relevanz. Die Bedienung erfolgt ausschließlich per Zeigegesten, wobei die Darstellung der Interaktionsschaltflächen sowie zusätzlicher Informationen per Projektionstechnik erfolgt. Damit können die Inhalte praktisch auf beliebigen Oberflächen wie Wände, Tische, Böden oder gar auf Bettdecken eingeblendet und bedient werden. 

Weitere Forschungsaktivitäten konzentrieren sich unter anderem auf die Entwicklung autonomer elektrischer Rollstühle. Diese sind in der Lage zwischen einzelnen Räumen zu verfahren und immer die Personen zu bedienen, die den Rollstuhl aktuell benötigen. Mit einem Roboterarm ausgestattet können diese auch Hol- und Bringdienste ausführen, um bspw. Getränke, Hygieneartikel oder ähnliches zu transportieren.

Mit dem Sozialen Roboter „Pepper“ und der Anbindung an „ChatGPT“ können Unterhaltungen geführt werden, die einer Unterhaltung mit Menschen sehr nahekommen. Für die Alltagsunterstützung forschen wir auch an Einsatzmöglichkeiten von kollaborativen Leichtbaurobotern im Heim- und Pflegebereich.

Technologien

Detaillierte Informationen zu unseren Technologien finden Sie auf den folgenden Seiten:

 

Projektions- und kamerabasierte Technologie 

Wir haben eine projektions- und kamerabasierte Technologie für die Überwachung von Arbeitsräumen entwickelt, die in Mensch-Roboter-Kooperationsszenarien Sicherheit sowie Interaktionsmöglichkeiten, 3D-Umgebungserfassung und Werkerassistenz bietet. Diese Technologie zeichnet sich durch schnelle Reaktionszeiten, geringe Sicherheitsabstände, Unabhängigkeit von Fremdlicht und hohe Verfügbarkeit aus.

 

Taktile Sensorik für die sichere Mensch-Roboter-Kollaboration

Taktile Sensorsysteme, die dem menschlichen Tastsinn nachempfunden sind, ermöglichen die Erfassung von Berührungen und Druckverteilungen und finden Anwendung in Mensch-Maschine-Interaktionen, Prozessüberwachung und präzisem Greifen. Wir entwickeln individuelle taktile Sensorsysteme, die von Prototypen bis zu komplexen Systemen reichen, mit Hauptanwendungsfeldern in taktilen Fußböden, Roboterhäuten und Greifern.

 

Visualisierungssysteme

Wir erforschen und entwickeln Software- und Hardwarelösungen, die eine Visualisierung von unterschiedlichsten Informationen in der Umgebung des Menschen ermöglichen. Dabei adressieren wir neben Arbeitsumgebungen im Kontext der Zusammenarbeit von Mensch und Roboter (z.B. Industrie, Medizinbereich) auch Lebensbereiche des Menschen wie in der Pflege.

KI-basierte Verfahren zur Detektion von Personen und deren Handlungen

Die kamerabasierte Erfassung von Menschen und KI-basierte Prognose ihrer Handlungen hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Wir entwickeln Lösungen, um das Potenzial solcher KI-Systeme in neuen Bereiche, wie der Mensch-Technik-Interaktion in der Industrie sowie in Medizin und Pflege, einzusetzen.

Referenzen

Unsere Referenzlösungen:

 

Altersgerechte Assistenz durch drucksensitive interaktive Bodenmodule

Im Projekt ALADIN wurden neuartige Bodenbeläge mit hochauflösenden, drucksensitiven Sensorflächen und integrierter Visualisierungsfunktion entwickelt. Mit Hilfe dieser Bodenbeläge erreichen wir eine deutlich verbesserte Bewegungs- und Sturzerkennung sowie eine zielgerichtete Visualisierung von Hinweisen in der eigenen Wohnung.

 

Integrierter, intelligenter projektionsbasierter Assistent

Im Projekt IIPA entwickelten wir einfach aufzubauende projektionsbasierte Assistenzsysteme als integrierte AR-Lösung für die Industrie. Die Systeme nutzen KI zur Erkennung von Anwesenheit und Gesten und bieten optimierte Projektionen für verbesserte Transparenz und Ergonomie am Arbeitsplatz.

 

Sichere Mensch-Roboter-Kollaboration mit Schwerlastrobotern in industriellen Anwendungen

Im Projekt SAPARO entwickelten wir ein innovatives Sensor- und Visualisierungssystem, das dynamische Sicherheitszonen basierend auf Roboterbewegungen und taktilen Fußböden zur sicheren Mensch-Roboter-Kooperation mit Schwerlastrobotern ermöglicht.

 

Taktile Sensorsysteme für die sichere Kollisionsdetektion bei der Mensch-Roboter-Interaktion

Wir entwickelten ein kostengünstiges, robustes und individuell anpassbares taktiles Sensorsystem für Robotik, das in der Mensch-Roboter-Kollaboration Kollisionen zuverlässig erkennt und den Roboter sofort stoppt, um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten. Das Projekt TAKSENS umfasste die Entwicklung, Validierung und Demonstration der technischen Machbarkeit sowie des wirtschaftlichen Potenzials dieser Technologie.