Bedienerzentrierte digitale Assistenzsysteme in modularen Leitsystemen (Projekt ODAL)

Das elektrische Energieversorgungssystem hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Was zunächst vor allem durch den technisch getriebenen Ausbau der erneuerbaren Energien geprägt war, wird seit einiger Zeit durch weitere Einflussfaktoren verstärkt. Unter anderem führen klimatische Veränderungen zu immer häufigeren Extremwetterereignissen, politische oder militärische Konflikte bedrohen die Versorgungssicherheit und gefährden die Verfügbarkeit von Energieträgern. Negative Preisentwicklungen verschlechtern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. All dies beeinflusst die verfügbaren Freiheitsgrade der Netzbetriebsführung und erhöht die Anforderungen an die Operatoren in den Leitstellen der Stromnetze erheblich. Ihre Rolle befindet sich seitdem in einem Veränderungsprozess, der mit einer schleichenden Mehrbelastung einhergeht. Immer mehr Systemfunktionalitäten sind zu überwachen und zu steuern, immer höhere Reaktionsgeschwindigkeiten sind gefordert und immer gravierender werden die technischen und wirtschaftlichen Folgen von Fehlentscheidungen. 

Ziel des Forschungsteams im Projekt ODAL ist die Erhöhung der Systemsicherheit durch die Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Operatoren in kritischen Netzsituationen mittels digitaler Assistenzsysteme und Werkzeuge im modularen Leitsystem.

 

© Fraunhofer IFF, Viktoria Kühne

KI-basierte Anomalieerkennung in modernen Energiesystemen

Aktuelle Untersuchungen im Bereich der Digitalisierung sowie der Künstlichen Intelligenz zeigen, dass durch neue Assistenzfunktionalitäten das Situationsbewusstsein von Operatoren (Operator Awareness) deutlich gesteigert werden kann. In Leitsystemen finden diese aufgrund monolithischer Softwarestrukturen und teilweise geringer Akzeptanz bislang noch keine breite Anwendung. Aktuelle Entwicklungen, wie politische Konflikte und damit verbundene energiewirtschaftliche Zwänge, Cyber-Angriffe und nicht zuletzt der Klimawandel erhöhen die Notwendigkeit zur Stärkung von Operatorfähigkeiten.

Die technischen Vorteile von KI-gestützter Assistenz – unter der Prämisse optimaler Datenverfügbarkeit – sind theoretisch belegt. Aufgrund der sih ständig ändernden funktionalen Anforderungen an moderne Leitsysteme sind bestehende Expertensysteme aber nur unzureichend integriert. Hinzu kommt, dass die fehlende Berücksichtigung von Erfahrungswerten und Feedback zu Lasten der Akzeptanz bei den Operatoren geht. Das Forschungsprojekt ODAL adressiert hier vor allem die Sensibilisierung der Operatoren für die Notwendigkeit digitaler Unterstützung und die Entwicklung entsprechender technischer Werkzeuge.

Projektziele von ODAL: Effizienzsteigerung durch digitale Assistenz

  1. Erhöhung der Systemsicherheit:

    • Steigerung des Handlungsfähigkeit der Operatoren in kritischen Netzsituationen
    • Verbesserung der Resilienz des elektrischen  Energieversorgungssystems durch Erhöhung der Operator Awareness
  2. Entwicklung innovativer Assistenzfunktionalitäten:

    • Erstellung eines automatisierten Szenariengenerators zur Erweiterung des Situationenskatalogs für Stresstests und erweiterte Operator Guidance
    • Entwicklung von KI-Algorithmen zur Erkennung, Bewertung und Begründung von Schwachstellen und Anomalien im Netzbetrieb
  3. Integration und Test:

    • Aufbau einer Demonstrationsumgebung (virtueller Testraum) zur praktischen Erprobung der Assistenzsysteme
    • Regelmäßiger Abgleich von Entwicklungstätigkeiten und Anwendungsbezug durch Sync Point

Das Projekt ODAL zielt darauf ab, die Systemsicherheit und Resilienz des elektrischen Energieversorgungssystems – unter sich extrem ändernden Randbedingungen (meteorologisch, ökonomisch, politisch) – durch die Entwicklung und Integration digitaler Assistenzsysteme zu erhöhen. Dies umfasst die Entwicklung innovativer Assistenzfunktionalitäten, deren Integration in modulare Leitsysteme und die praktische Erprobung in einer Demonstrationsumgebung.

Teilprojekt Fraunhofer IFF: Entwicklung einer agilen Entwicklungsplattform für Assistenzfunktionalitäten

Das Fraunhofer IFF ist im Projekt ODAL für die Umsetzung einer agilen Entwicklungsplattform für Assistenzfunktionalitäten verantwortlich. Diese Plattform ermöglicht einen effizienten und flexiblen Entwicklungsprozess für neue Assistenzfunktionalitäten. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Entwicklung und Erprobung eines umfassenden Modul-Check-Ups, der die Voraussetzung für die Anbindung neuer Assistenzmodule an das Modular Control Centre System (MCCS) bildet. Die Expertinnen und Experten des Instituts führen die Anforderungsanalyse zur Definition des projektspezifischen Lösungsraums für operator-zentrierte Assistenzsysteme durch und beteiligen sich an der Demonstration der Praxistauglichkeit der entwickelten Assistenzfunktionen, einschließlich des Aufbaus einer Demonstrationsumgebung und der Durchführung technischer Funktionstests. 

Das Fraunhofer IFF implementiert ein projektspezifisches Operator-in-the-Loop-Framework – eine Erweiterung des am am Fraunhofer IFF bereits existierenden Leitstands »Integrated Operations Center«, das Systeme zur Erfassung physischer und psychologischer Parameter der Operatoren umfasst. Dies ermöglicht eine konsistente und effektive Bewertung der Interaktion von Operatoren mit Assistenzsystemen.

Erwartete Projektergebnisse in ODAL

  • Befähigung der Bedienpersonals: Erweiterung der Handlungsfähigkeit durch moderne Visualisierungs-, SCADA- und Bedienfunktionen.
  • Entwicklung und Integration einer zukunftsfähigen Bedienerführung: Nutzung des Modular Control Centre System (MCCS) der 50Hertz Transmission GmbH zur Integration digitaler Assistenzsysteme.
  • Aufbau eines Test- und Entwicklungssystems (Demonstrator): Test und Optimierung der entwickelten Algorithmen und Methoden durch Echtzeitsimulation.

Projektinfo

Projekttitel

»ODAL« – Operator-zentrische digitale Assistenzsysteme in modularen Leitsystemen

Stichworte

digitale Assistenzsysteme, KI in Energiesystemen, modulare Leitsysteme

Projektlaufzeit

07.2024 bis 06.2027

Projektpartner

  • 50Hertz Transmission GmbH
  • Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und Automatisierung IFF
  • Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB – Institutsteil Angewandte Systemtechnik AST
  • Siemens AG, Smart Infrastructure, Electrification & Automation, Power Academy
  • Technische Universität Ilmenau

Projektförderung

Gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des 8. Energieforschungsprogramms. Förderkennzeichen 03EI6116A.